Journal fuer Psychologie – Call for Papers: Big Data
(hrsg. von Martin Dege)
[English below]
Big Data hat seit dem Aufkommen des Konzepts zu Beginn dieses Jahrzehnts zunehmend an Bedeutung gewonnen. Urspruenglich wurden damit Datensaetze bezeichnet, die schlicht zu gross waren, sich zu schnell veraenderten, oder einen zu hohen Komplexitaetsgrad aufwiesen als dass sie mit traditionelleren Methoden der Datenanalyse ausgewertet werden konnten. Auf Grund der einfacheren Verfuegbarkeit von Rechenpower, sei es durch leistungsstaerkere Computer oder Anbietern von Cloud-Diensten sind Big Data Analysen jedoch sehr schnell einem breiteren Anwenderkreis zugaenglich geworden. Man denke neben Grosskonzernen etwa an Unternehmensberatungen, mittelstaendische Unternehmen, Forschungseinrichtungen und nicht zuletzt auch der durchschnittliche User verschiedenster Smartphonedienste, die etwa persoenliche Vitaldaten auswerten. Diese Popularisierung spiegelt sich auch in der Vergabe von Forschungsgeldern und damit einem zunehmenden Einfluss auf akademische Forschung selbst wider. Gleichwohl es bei Big Data zunaechst um neue Quantitaeten geht, signalisiert das Big in der Bezeigung zugleich auch einen qualitativen Unterschied zu traditionellen Formen der Datenerhebung und -analyse. Eine neue Qualitaet, die haeufig als die drei Vs bezeichnet wird: Volumen als Ausdruck der extrem gesteigerten Quantitaet erhobenen Daten, Geschwindigkeit (velocity) als Mass fuer die Frequenz kontinuierlich neu generierter Daten, sowie Vielfalt als Symbol fuer die Diversifizierung unterschiedlichster, dennoch miteinander in Verbindung zu bringender Datensaetze. Die Kombination dieser drei Vs mit einer angewachsenen, von Algorithmen gesteuerten Rechenpower ist es nun, die nicht nur ein Mehr an Daten verspricht, sondern eine neue Qualitaet von Wissen: genauere Beschreibung und Vorhersage; generieren von Wissen ueber zuvor unzugaengliche Bereiche, sei es auf Grund fehlender Technologie oder fehlendem Zugang; sowie schliesslich ein besseres Verstaendnis der Zusammenhaenge verschiedener Bereiche des sozialen Lebens die durch den Blick auf Daten unmittelbar zugaenglich werden und so vermeintlich ungenaue Theorien innerhalb der Sozialwissenschaften ueberfluessig machen.
So vielversprechend dies auch immer klingen mag, erfaehrt das Konzept dennoch Kritik aus verschiedensten Bereichen: Schliesslich existiert die rationalistische Fantasie einer “wahren” Beschreibung der sozialen Welt, sobald man nur genuegend Daten vorliegen hat wohl mindestens so lang wie es institutionalisierte Forschung gibt. Aus dieser Sicht betrachtet waere Big Data wohl nicht viel mehr als eine weitere Positivismuswelle, die gerade ueber die Wissenschaft hereinbrechen zu scheint. Ebenso lassen sich derartige Fantasien sozialer Steuerung durch genaue Kenntnis von Daten bis in die Technokratiebewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurueckverfolgen. Nicht zuletzt wird ebenso hauufig der Anspruch auf Neutralitaet innerhalb der Big Data Debatte einem kritischen Blick unterzogen. Konkrete (politische) Entscheidungen bestimmte Daten zu erheben und damit dann auch das jeweilige Ergebnis freilich zumindest zu beeinflussen bleiben aussen vor. Schliesst man sich diesen Kritiken an, erscheint Big Data nicht mehr so sehr als ein naechster Schritt in der Forschung der die Notwendigkeit von Theorien ueber Sozialverhalten entsprechend reduziert, sondern vielmehr selbst als eine Theorie.
Das Journal fuer Psychologie bittet um die Uebermittlung von Manuskripten zum Thema Big Data. Ziel des zu konzipierenden Themenheftes ist es dem Konzept Big Data etwas von seiner Unschaerfe zu nehmen, sein Potenzial sowie seine Gefahren zu analysieren, nach seiner Position im existieren Korpus der sozialwissenschaftlichen Theorien und Methoden zu fragen um schliesslich die politische Bedeutung des Erstarkens eines solchen Ansatzes einer kritischen Analyse zu ziehen.
Neben anderen Fragen koennen sich potenzielle Beitraege mit folgenden Themen befassen:
* Wem sollten Daten gehoeren; besonders im Zeitalter von Big Data?
* Was bedeutet Big Data fuer zukunftige Forschungsprojekte? Was sind die Vor- und Nachteile einer Anwendung grosser und fluider Datensaetze?
* Auf welches theoretische Grundgeruest stellt sich Big Data? Was sind die historischen Wurzeln?
* Was sind die politischen, oekonomischen und sozialen Vorbedingungen, die Big Data Analysen moeglich machen?
* Unter welchen Umstaenden kann es zu einem Missbrauch von Big Data kommen; etwa zu sozialer Kontrolle?
* Wie kann man bei Big Data Formen von Bias in der Datenerhebung identifizieren und gegebenenfalls entgegenwirken?
* Wie wird die Theoriebildung innerhalb der Sozialwissenschaften von Big Data beeinflusst?
* Inwieweit wird durch Big Data die Rolle des Forschers/der Forscherin veraendert?
* Was ist das Verhaeltnis von Big Data und ethischem Verhalten?
Falls Sie sich mit einem Manuskript an diesem Schwerpunktheft beteiligen wollen, senden Sie bitte zu unserer Orientierung bis 28.2.2015 ein Abstract (max. 1 Seite) an:
martin.dege@uni.kn
Sie erhalten zu Ihrem Abstract ein umgehendes Feedback. Anschliessend an die Einreichung Ihres Beitrages startet das Begutachtungsverfahren (peer review).
Auch Manuskripte jenseits des Themenschwerpunkts sind immer willkommen. Diese reichen Sie bitte direkt ueber das Portal auf unserer Website www.journal-fuer-psychologie.de ein.
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