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Rückblick auf die NGfP-Konferenz 2022

Posted on 12. September 20227. Oktober 2022 By NGfP-Admin

Bericht eines Kon­gress­teil­neh­mers

Vom 7. bis 9. Juli fand in Ber­lin nach zweijähriger Pau­se erst­mals wie­der der jährliche Kon­gress der Neu­en Gesell­schaft für Psy­cho­lo­gie (NGfP) statt – in die­sem Jahr zum The­ma: „Coro­na. Insze­nie­rung einer Kri­se”. Trotz wid­ri­ger Umstände und Gegen­wind aus meh­re­ren Rich­tun­gen – so wur­den den Kon­gress­or­ga­ni­sa­to­ren bei­spiels­wei­se kurz­fris­tig die Räumlichkeiten gekündigt – wur­de die NGfP-Kon­fe­renz am Ende zu einem ganz beson­de­ren intel­lek­tu­el­len Licht­blick für alle Teil­neh­mer und Refe­ren­ten. Hier­bei wur­de vor allem die Möglichkeit wertgeschätzt, end­lich ein­mal wie­der drei Tage im gemein­schaft­li­chen intel­lek­tu­el­len Aus­tausch unter einem wei­ten geis­ti­gen Hori­zont genie­ßen zu können.

Hin­der­nis­se und gute Fügungen bei der Vor­be­rei­tung

Ursprünglich hat­ten die Orga­ni­sa­to­ren den NGfP-Kon­gress bereits für März 2021 geplant. Auf­grund aus­ufern­der Hygie­ne­be­din­gun­gen war er wie­der abge­setzt wor­den. Weil die für Mai die­ses Jahr vor­ge­se­he­nen Räume im Kon­gress­haus des Neu­en Deutsch­land Ver­lags kurz­fris­tig gekündigt wor­den waren, war der Kon­gress für die­ses Jahr zunächst auch abge­sagt wor­den. Dann aber konn­te für Anfang Juli doch noch eine wun­der­ba­re Konferenzstätte auf­ge­tan wer­den.

Um die geplan­ten Präsentationen in jedem Fall der Öffent­lich­keit vor­stel­len zu können, wur­de frühzeitig ein Kon­gress­band kon­zi­piert und erar­bei­tet, in dem alle Refe­ren­ten ihre Posi­tio­nen in Schrift­form vor­stel­len konn­ten. So wären die Beiträge auch im Fall eines wei­te­ren Aus­falls an die Öffent­lich­keit gelangt. Der Kon­gress­band erschien zeit­nah zur Kon­fe­renz in Buch­form unter dem Titel „Coro­na. Insze­nie­rung einer Kri­se” beim Ver­lag Soden­kamp & Lenz.

Schließ­lich wur­de die kurz­fris­ti­ge Kon­fe­renz-Orga­ni­sa­ti­on zum ers­ten Mal in Koope­ra­ti­on mit Akti­vis­ten aus coro­na­kri­ti­schen Basis­in­itia­ti­ven gestemmt – ins­be­son­de­re von Akti­vis­ten der Ber­li­ner Kom­mu­nar­den, die den Orga­ni­sa­to­ren der NGfP bis hin zur Kon­fe­renz­tech­nik vie­le Auf­ga­ben abnah­men.

Hin­sicht­lich der Lage kri­ti­scher Intel­lek­tu­el­ler hat­te die neue Kon­fe­renz­her­ber­ge Sym­bol­cha­rak­ter: Denn wie der Vor­sit­zen­de der NGfP Prof. Klaus-Jürgen Bru­der in sei­ner Eröffnungsrede zur Schönheit und zum Flair der ori­en­ta­lisch anmu­ten­den Loca­ti­on inmit­ten der Ödnis eines Ber­li­ner Indus­trie­ge­biets bemerk­te, sei man mit dem Kon­gress schließ­lich „wie Ertrin­ken­de in einer veri­ta­blen Oase gelan­det”.

Eine Atmo­sphä­re frei­en geis­ti­gen Aus­tauschs

Die Fest­stel­lung über eine Oase inmit­ten der Ödnis traf nicht nur auf den Kon­gress­ort zu. Bei der Feed­back­run­de zum Kon­gress teil­ten Teil­neh­mer ihre Einschätzung, dass sie den frei­en intel­lek­tu­el­len Aus­tausch und den geis­ti­gen Raum auf die­ser Kon­fe­renz jen­seits aller Zen­sur und Denk­ver­bo­te in der heu­ti­gen Zeit ganz beson­ders geschätzt hätten. In den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren habe man so eine Kon­fe­renz kri­ti­scher Intel­lek­tu­el­ler in Deutsch­land sehr ver­misst. Ins­be­son­de­re wer­de so ein zen­sur­frei­er, offe­ner Debat­ten­raum für non­kon­for­mis­ti­sche Per­spek­ti­ven drin­gend benötigt.

Der freie geis­ti­ge Raum schuf dabei jen­seits der oft­mals bedrückenden The­men und Präsentationen auch eine beson­de­re Stim­mung unter den Kon­gress­teil­neh­mern. Inner­halb kürzester Zeit ent­stand eine herz­li­che Atmosphäre der Zuge­wandt­heit, der Empa­thie und des gegen­sei­ti­gen Inter­es­ses unter den Teil­neh­mern – wie sie viel­leicht nur in Räumen ent­ste­hen kann, in denen Men­schen es wagen, authen­tisch und angst­frei ihre Gefühle und Gedan­ken zu äußern.

Ob die­se wohl­wol­len­de Atmosphäre auch dadurch beein­flusst wur­de, dass sich hier vie­le Men­schen aus dem Berufs­feld der Psy­cho­lo­gen ver­sam­mel­ten, oder ob ab einer kri­ti­schen Men­ge bewuss­ter Men­schen womöglich ein Raum ent­steht, indem sich das Unbe­wuss­te und Ver­bor­ge­ne anders ein­ge­la­den fühlt, muss offen­blei­ben. Sol­che Phänomene kann man wohl kaum mes­sen. Aber in jedem Fall wur­de die Bedeu­tung unbe­wuss­ter Antei­le der aktu­el­len poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Situa­ti­on bei vie­len der Vor­tra­gen­den auf der Kon­fe­renz unter ver­schie­dens­ten Gesichts­punk­ten immer wie­der beleuch­tet.

Bewuss­tes und Unbe­wuss­tes in der Poli­tik – die Metho­de der Poli­ti­sche Psy­cho­lo­gie

Im Gespräch mit RT stell­te der Pro­fes­sor für Psy­cho­lo­gie, Psy­cho­ana­ly­ti­ker, ers­te Vor­sit­zen­de der NGfP und Initia­tor der jährlichen NGfP-Kon­fe­ren­zen Prof. Dr. Bru­der fest: „Als Psy­cho­ana­ly­ti­ker wis­sen wir, dass das, was gesagt wird, häufig nicht das ist, was gemeint ist – und dass es ein psy­cho­lo­gi­sches Prin­zip des ‚Ver­ste­ckens durch Reden’ gibt.”

Bezüglich des Kon­gress­the­mas der „Insze­nie­rung einer Kri­se” bedien­ten sich die Herr­schen­den zur Ver­schleie­rung der wah­ren Verhältnisse ins­be­son­de­re der Poli­ti­schen Psy­cho­lo­gie. Die­se die­ne hier­bei zur Unbe­wusst­ma­chung von Bedin­gun­gen und von Gründen mensch­li­chen Han­dels. Wie die­ses Unbe­wusst­ma­chen gesche­he, erläuterte Bru­der an einem Bei­spiel: „Die Pro­duk­ti­on von Mehr­wert, die Aus­beu­tung von Arbeitskräften und die Pro­duk­ti­ons­ent­eig­nung zuguns­ten der Pro­fit­stei­ge­rung bei den Kapi­ta­lis­ten wird durch die poli­ti­sche Ökonomie ver­deckt. Die Poli­ti­sche Psy­cho­lo­gie hat dabei die Auf­ga­be, die­sen Zusam­men­hang zu ver­de­cken. Und wer die eigent­li­chen Gründe auf­de­cken will, wird als Verschwörungstheoretiker bezeich­net.”

Auch das „Ver­hal­tens­ma­nage­ment” in der Kri­se bedient sich Bru­der zufol­ge psy­cho­lo­gi­scher Metho­den und folgt einem beha­vio­ris­ti­schen Sche­ma von Beloh­nung und Bestra­fung, ver­gleich­bar mit dem chi­ne­si­schen Social-Cre­dit-Sys­tem: „Wenn du kei­ne Imp­fung nach­wei­sen kannst, kommst du hier nicht rein. Wenn du kei­ne Mas­ke auf­hast, darfst du nicht mit der Bahn fah­ren. Wenn du nicht getes­tet bist, darfst du die Arbeitsstätte nicht betre­ten.”

So wie es schon im Titel der diesjährigen Kon­fe­renz „Die Insze­nie­rung einer Kri­se” zum Aus­druck kom­me, wer­de mit­tels Metho­den der poli­ti­schen Psy­cho­lo­gie aber nicht nur ver­deckt. Son­dern es wer­de auch abge­lenkt von dem, was eigent­lich pas­sie­re, wor­in ein wei­te­rer psy­cho­lo­gi­scher Mecha­nis­mus bestehe. So die­ne die Coro­na-Insze­nie­rung zum Bei­spiel auch zur Ablen­kung von den Plänen eines Gre­at Reset des Welt­wirt­schafts­fo­rums.

Akti­vis­ten, Künstler und Wis­sen­schaft­ler gemein­schaft­lich auf einem Kon­gress

Auf die Fra­ge, wel­che beson­de­ren Anlie­gen es für den diesjährigen Kon­gress gege­ben hätte, teil­te Bru­der RT mit, dass es neben den wis­sen­schaft­li­chen Ana­ly­sen dem Dis­kurs zur aktu­el­len gesell­schaft­li­chen Lage das Haupt­an­lie­gen die­ser Kon­fe­renz gewe­sen sei, „Theo­rie und Pra­xis” zusam­men­zu­brin­gen.

Aus die­sem Grund habe es neben den Präsentationen vielfältiger sozio­lo­gi­scher, psy­cho­lo­gi­scher, ökonomischer, his­to­ri­scher und poli­ti­scher Aspek­te der aktu­el­len gesell­schaft­li­chen Lage auch einen hohen Anteil an Beiträgen von Akti­vis­ten, Betrof­fe­nen und Kul­tur­schaf­fen­den gege­ben, die sich aktiv im Wider­stand auf der Stra­ße enga­gie­ren. So berich­te­te dazu auch ein Stu­dent der Phi­lo­so­phi­schen Fakultät über die Hintergründe von Konformität und Wider­stand an den Universitäten.

Es würde den Rah­men die­ses Berichts spren­gen, all die vie­len inspi­rie­ren­den Refe­ra­te und Kulturbeiträge im Detail vor­zu­stel­len, die zum Teil völlig neue Per­spek­ti­ven auf das Coro­na-Nar­ra­tiv eröffneten. An die­ser Stel­le können nur die Inhal­te eini­ger Vorträge kurz skiz­ziert wer­den, um einen Ein­druck von der inhalt­li­chen Brei­te der The­men zu ver­mit­teln.

Gleich­ge­schal­te­te Pres­se und bit­te­res Schwei­gen der Intel­lek­tu­el­len

In sei­nem Eröffnungsreferat erläuterte Bru­der, wel­che Rol­le der Dis­kurs der Macht in der jet­zi­gen Lage ein­nimmt und wie das Bewusst­sein der Men­schen mani­pu­liert wird. „Die Rol­le der Intel­lek­tu­el­len schält sich immer mehr her­aus in ihrer Bedeu­tung für den Dis­kurs der Macht, für die Her­stel­lung von Kon­sens, wie [Noam] Chom­sky gesagt hat, für die Mani­pu­la­ti­on des Bewusst­seins und damit des poli­ti­schen Ver­hal­tens der Bevölkerung.”

Der Jour­na­list und Fil­me­ma­cher Uli Gel­ler­mann, Betrei­ber des Inter­net­por­tals Ratio­nal­ga­le­rie, fass­te in sei­ner „Zwi­schen­bi­lanz eines nun­mehr zweijährigen Kamp­fes um die Res­te der Demo­kra­tie” noch ein­mal die wesent­li­chen Kri­tik­punk­te am Pan­de­mie-Nar­ra­tiv zusam­men. So stell­te er fest, dass das Dreh­buch für die aktu­el­le Pan­de­mie­si­tua­ti­on schon im März 2013 in einer Risi­ko­ana­ly­se beim Deut­schen Bun­des­tag vor­ge­le­gen habe. Dabei sei es von vorn­her­ein nicht um Gesund­heit gegan­gen, son­dern um die Inter­es­sen der Phar­ma­in­dus­trie. Jeg­li­che diesbezügliche Oppo­si­ti­on habe des­halb von Beginn an dif­fa­miert wer­den müssen. Zur Recht­fer­ti­gung des Coro­na-Nar­ra­tivs waren Fak­ten laut Gel­ler­mann gar nicht ent­schei­dend: „Das Regime brauch­te dazu kei­ne Fak­ten, son­dern brauch­te dazu die Medi­en.” Und auch aus die­sem Grund sei das Schwei­gen und Mit­ma­chen vie­ler Intel­lek­tu­el­ler bit­ter, ins­be­son­de­re in einem Land, das sich tra­di­tio­nell für sei­ne Den­ker­tra­di­tio­nen rühmt, stell­te der Jour­na­list fest. Dazu habe es rela­tiv früh eine Gleich­schal­tung der Pres­se gege­ben – wobei Gel­ler­mann zufol­ge vie­le Jour­na­lis­ten geglaubt hätten, dass Rich­ti­ge zu tun. Ande­re leb­ten wei­ter­hin in der gro­ßen Illu­si­on, wir hätten es hier mit einer Demo­kra­tie zu tun. Gleich­zei­tig habe sich die Jus­tiz zum Büttel und Part­ner der Poli­tik gemacht und zeu­ge aktu­ell von der juris­ti­schen Ver­kom­men­heit in die­sem Land. Die Mehr­heit der Bevölkerung mache dabei wider­stands­los mit. Aber am Ende konn­te Gel­ler­mann auch etwas Hoff­nung säen: Eine Mei­nungs­um­fra­ge in der FAZ habe jüngst erge­ben, dass inzwi­schen vie­le Deut­sche der Mei­nung sind, man könne in die­sem Land sei­ne Mei­nung nicht mehr offen sagen. Und ins­ge­samt freue er sich darüber, wie vie­le Men­schen sich trotz aller Einschüchterungen und Repres­sio­nen spon­tan und selbst orga­ni­siert in den Wider­stand bege­ben hätten. Es habe hier unglaub­lich viel Selbstermächtigung statt­ge­fun­den.

Der Roman­au­tor und Psy­cho­ana­ly­ti­ker Micha­el Schnei­der ana­ly­sier­te in sei­nem Vor­trag „Die Büchse der Pan­do­ra und ihr ver­schwie­ge­nes Geheim­nis – das Coro­na-Neu­sprech” die mani­pu­la­ti­ve Spra­che, mit der die angeb­li­che Gefährlichkeit der Pan­de­mie in die Köpfe der Men­schen ver­an­kert wer­den soll­te. Er reflek­tier­te noch mal die psy­cho­lo­gi­sche Wir­kung von Begrif­fen wie Kil­ler­vi­rus, Lock­down, Quarantäne, Quarantäne- Lager, Super­sprea­der. Die Ver­dre­hung von Rechts-Links- Zuschrei­bun­gen illus­trier­te er an dem Zitat des sozia­lis­ti­schen ita­lie­ni­schen Schrift­stel­lers Igna­zio Silo­ne, der gesagt haben soll: „Wenn der Faschis­mus wie­der­kommt, wird er nicht sagen, ich bin der Faschis­mus, er wird sagen, ich bin der Anti­fa­schis­mus.”

Das Ver­sa­gen der Lin­ken und eine Dia­gno­se der post­mo­der­nen Kul­tur

In der Podi­ums­dis­kus­si­on mit zwei Akti­vis­ten der Frei­en Lin­ken wur­de das Ver­sa­gen lin­ker Basis­grup­pen, lin­ker Par­tei­en und Orga­ni­sa­tio­nen in einer gesell­schaft­li­chen Situa­ti­on the­ma­ti­siert, in der mit­tels einer Pan­de­mie eine Reich­tumsum­ver­tei­lung an super­rei­che anony­me Aktionäre von Phar­ma­kon­zer­nen von nie dage­we­se­nem Aus­maß statt­fin­det. Wobei die Hintergründe beim Ein­kni­cken lin­ker Insti­tu­tio­nen in gesell­schaft­li­chen Kri­sen auch his­to­risch reflek­tiert wur­den.

Nach­dem die Psy­cho­lo­gie­pro­fes­so­rin Dr. Andrea Klee­berg-Nie­page ihre Ana­ly­se über den Coro­na-Dis­kurs in der deut­schen Tages­pres­se vor­ge­tra­gen hat­te, stell­ten Micha­el Ley, Diplom-Psy­cho­lo­ge sowie Pro­fes­sor für Orga­ni­sa­ti­ons­psy­cho­lo­gie, und der Diplom-Psy­cho­lo­ge Carl Vier­boom in Ihrer Präsentation „Das Coro­na-Uni­ver­sum. Struk­tu­ren eines gesell­schaft­li­chen Wahn­sys­tems” ihre The­se vor, wonach es die gesell­schaft­li­che Kri­se schon vor Coro­na gege­ben habe. Eben­so habe auch die Ver­en­gung der Debat­ten­kul­tur schon viel früher ein­ge­setzt. Dabei stell­ten sie ihre Dia­gno­se der post­mo­der­nen Kul­tur vor, die unend­lich vie­le Lebens- und Auswahlmöglichkeiten ver­spre­che, gleich­zei­tig würden Bin­dun­gen immer mehr aufgelöst, und neue Tech­no­lo­gien ent­kop­pel­ten den Men­schen von sich selbst. Im Wider­spruch zur schein­ba­ren Welt aller Möglichkeiten gebe es gleich­zei­tig eine Kon­troll­ge­sell­schaft, die mit psy­cho­lo­gi­scher und tech­ni­scher Verführung arbei­te, bei der die Men­schen sich frei­wil­lig in digi­ta­len Kon­troll­sys­te­me begäben. All die­se gesell­schaft­li­chen Her­stel­lungs­pro­zes­se müssten bei der Bewer­tung der aktu­el­len Situa­ti­on in den Blick genom­men wer­den.

Kri­tik an der 4. Revo­lu­ti­on und am Trans­hu­ma­nis­mus

Der österreichische Publi­zist und Ver­le­ger Dr. Han­nes Hof­bau­er sprach zum The­ma „Kyber­ne­ti­sche Wen­de – zur neu­en Alli­anz von Kapi­tal und Staat”.

„Eines der wesent­li­chen Ele­men­te der soge­nann­ten 4. Revo­lu­ti­on besteht dar­in, dass nicht die Art verändern wird, wie wir arbei­ten, son­dern die­ses Mal sind es wir Men­schen selbst, die verändert wer­den.” So geht es laut Dr. Hof­bau­er beim aktu­el­len gesell­schaft­li­chen Wan­del am Ende um die abso­lu­te Ver­wert­bar­keit des Men­schen und sei­nes Erfah­rungs­wis­sens, was mit­tels digi­ta­ler Tech­ni­ken zudem auch in ein Kon­troll­wis­sen über die Men­schen umge­wan­delt wer­de. Hier­bei wer­de schließ­lich jede Art von mensch­li­cher Erfah­rung für die Pro­fit­ge­ne­rie­rung genutzt. In den letz­ten Jah­ren, seit der Ban­ken­kri­se im Jahr 2008, habe die­se Ent­wick­lung verstärkt an Fahrt auf­ge­nom­men. His­to­risch gese­hen habe die­se Dyna­mik, in der der Staat immer mit dem Kapi­tal zusam­men­ge­ar­bei­tet habe, schon im 16. Jahr­hun­dert begon­nen.

In sei­ner Präsentation „Ver­nunft gegen den Irr­sinn der Macht” mach­te Dr. Wer­ner Meix­ner, aka­de­mi­scher Ober­rat i. R. an der Fakultät für Infor­ma­tik der TU München, den Teil­neh­mern inso­fern Hoff­nung, als er dar­leg­te, war­um Maschi­nen nie­mals über mensch­li­che Intel­li­genz verfügen könnten. Er stell­te die Visio­nen von Trans­hu­ma­nis­ten vor, die mit­tels Maschi­nen und Gen­tech­nik „trans­hu­ma­ne Unto­te” pro­du­zie­ren woll­ten und damit das Mensch­li­che in uns Men­schen auslöschen würden. Meix­ner hat von „Erkennt­nis von Gödel”, gespro­chen, der erkann­te, daß der Com­pu­ter nie­mals die Pro­zes­se der Natur wird berech­nen kön­nen. Des­halb ist ein Groß­teil des trans­hu­ma­nis­ti­schen Gedan­ken­guts laut Meix­ner rei­ne Schar­la­ta­ne­rie.

Wie unser Gehirn Wahr­neh­mung kon­stru­iert – die neu­ro­lo­gi­sche und sozia­le Kon­struk­ti­on von Fak­ten

Schließ­lich refe­rier­te Diplom-Psy­cho­lo­ge Prof. Dr. Harald Wala­ch über „Die Coro­na­kri­se, die sozia­le Kon­struk­ti­on von Fak­ten und ihre Kon­se­quen­zen”. For­schun­gen hätten belegt, erklärte er, wie die mensch­li­che Wahr­neh­mung der Wirk­lich­keit neu­ro­lo­gisch funk­tio­niert und wel­che Fak­to­ren dabei eine Rol­le spie­len: „Unser Gehirn ist ein ‚Wirk­lich­keits­kon­struk­ti­ons­or­gan’.” Äußere Rei­ze bzw. Wahr­neh­mungs­in­hal­te würden vom Gehirn zunächst auf ihren affek­ti­ven Gehalt hin unter­sucht, bis sie zu den „höheren” Bewer­tungs­zen­tren des Gehirns gelang­ten. Außer­dem ver­wen­de das mensch­li­che Gehirn ins­ge­samt nur ungefähr fünf Pro­zent der Ener­gie für Außen­rei­ze – zu 95 Pro­zent sei jedes mensch­li­che Gehirn mit der Reiz­ver­ar­bei­tung im Inne­ren beschäftigt. Und so kom­me es, dass uns wir das, was wir wahrnähmen, zum größtenteils selbst kon­stru­iert hätten und es gar nicht die Wirk­lich­keit abbil­de. Wobei Dr. Wala­ch beton­te, dass er damit nicht sagen wol­le, dass es Wirk­lich­keit und Fak­ten nicht gebe. Am Ende sei­ner Rede erläuterte er, war­um ech­te Wis­sen­schaft tatsächlich lang­sam sei. Und er erklärte aus sei­ner Per­spek­ti­ve, wie der Wider­spruch zwi­schen medi­zi­ni­scher Realität und Wirk­lich­keit auf­grund des Schul­ter­schlus­ses zwi­schen Medi­en und Poli­tik igno­riert wer­den konn­te.

Die Bot­schaf­ten der Künstler – Kri­tik, Hoff­nung und Ermu­ti­gung

Im Kul­tur­pro­gramm konn­ten die Teil­neh­mer am ers­ten Abend den bekann­ten sächsischen Bar­den Yann Song King live erle­ben. Seit zwei Jah­ren unterstützt er auf vie­len Pro­test­ak­tio­nen und Kund­ge­bun­gen mit sei­nen Lie­dern, die vol­ler Iro­nie und Gal­gen­hu­mor das Coro­na-Gesche­hen wie­der­ge­ben, den Wider­stand auf der Stra­ße.

Das Thea­ter- und Chor­en­sem­ble „Ber­li­ner Kom­mu­nar­den” berei­cher­te den Kon­gress pas­sen­der­wei­se mit expli­zit lin­kem und anti­ka­pi­ta­lis­ti­schem Lied­gut. Auch die­se Künstlergruppe, deren Name von der Pari­ser Kom­mu­ne inspi­riert wur­de, erfrisch­te die See­len der Men­schen in repres­si­ven Zei­ten schon auf vie­len Wider­stands­ver­an­stal­tun­gen.

Die Kaba­rett­grup­pe mit den Künstlern Jean-Theo Jost, Bir­git Hägele und Ger­hard Von­drus­ka brach­te mit Auszügen aus ihren Pro­gram­men „Pro­pa­gan­da” und „Die neue Normalität” die The­men des Kon­gres­ses mit Sati­re und Witz auf den Punkt.

Am letz­ten Abend trug der Ber­li­ner Chor „Frei­heits­vo­ka­lis­ten” sei­ne herzerwärmenden Lie­der und Lie­der­um­dich­tun­gen vor, dar­un­ter auch „Frei­heit schöner Götterfunken”, eine text­li­che Adap­ti­on von Beet­ho­vens 9. Sin­fo­nie, die auch als „Freu­de schöner Götterfunken” bekannt ist.

Dann berei­cher­te die thea­tra­li­sche Nacherzählung der Geschich­te der Pro­pa­gan­da in künstlerischer Form den Wis­sens­ho­ri­zont der Teil­neh­mer. Das Ensem­ble „Die Eri­si­sche Kon­troll­grup­pe” spiel­te dazu Sze­nen aus dem Leben und Werk eines der ers­ten Pro­pa­gan­dis­ten: Edward Ber­nays, ein Nef­fen des bekann­ten Psy­cho­ana­ly­ti­kers Sig­mund Freund, ent­wi­ckel­te und lehr­te in der ers­ten Hälfte des 20.Jahrhunderts Metho­den der Pro­pa­gan­da, die bis heu­te ange­wandt wer­den.

Einen wei­te­ren kul­tu­rel­len Höhepunkt gab es bei einer thea­tra­li­schen Lesung über das Leben und Enga­ge­ment einer Vorkämpferin zu Zei­ten der Pari­ser Kom­mu­ne: Loui­se Michel. Meh­re­re Frau­en tru­gen in ver­teil­ten Rol­len Auszüge aus den Lebens­sta­tio­nen und poli­ti­schen Aus­sa­gen der Revolutionärin vor. Bei den Berich­ten über ihre Kämpfe, beim Vor­trag über ihre Wer­te fühlte es sich so an, als höre man For­de­run­gen von Kämpfen um sozia­le Gerech­tig­keit, um Frau­en­rech­te, um wirt­schaft­li­che Gerech­tig­keit und den Schutz der Umwelt aus unse­ren Tagen. In vie­len Gedan­ken war Michel ihrer Zeit anschei­nend so weit vor­aus, dass ihre Anschau­un­gen heu­te noch so aktu­ell sind.

Solidarität und Dank

Auf Anre­gung Gel­ler­manns ver­ab­schie­de­te der NGfP-Kon­gress am Ende noch eine Solidaritätserklärung für den im Juni inhaf­tier­ten Initia­tor der coro­na­kri­ti­schen Bewe­gung „Quer­den­ken”, den Stutt­gar­ter Unter­neh­mer Micha­el Ball­weg. Dar­in hieß es: „Lie­ber Micha­el Ball­weg, du bist im Gefängnis als Sym­bol der demo­kra­ti­schen Bewe­gung. Wir sind mir dir soli­da­risch!”

Es war der letz­te NGfP-Kon­gress, der unter dem Vor­sitz von Prof. Bru­der orga­ni­siert wur­de. Mit der Würdigung sei­ner groß­ar­ti­gen Initia­ti­ve und Arbeit an die­sem und den vor­an­ge­hen­den Kon­gres­sen sowie der Würdigung sei­ner Übernahme von Ver­ant­wor­tung als lin­ker Intel­lek­tu­el­ler für die Durchführung intel­lek­tu­el­ler Debat­ten in schwe­ren Zei­ten wur­de der Kon­gress been­det.

In die­sem Bei­trag kann nur eine unvollständige Zusam­men­fas­sung der vie­len The­men und Dis­kur­se ver­mit­telt wer­den, die auf dem Herz und Ver­stand berührenden Kon­gress der NGfP behan­delt wur­den.

Wer sich für die kom­plet­ten Vorträge und Ausführungen der Refe­ren­ten zum kri­ti­schen Coro­na-Dis­kurs inter­es­siert, fin­det die Ausführungen dazu im Buch zum Kon­gress „Coro­na. Insze­nie­rung einer Kri­se”, her­aus­ge­ge­ben von Klaus-Jürgen Bru­der, Almuth Bru­der-Bez­zel und Jürgen Günther beim Ver­lag Soden­kamp & Lenz, Mai 2022.

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