Skip to content
  • Datenschutz
  • Impressum
Neue Gesellschaft für Psychologie

Neue Gesellschaft für Psychologie

Gesellschaft für Theorie und Praxis der Sozialwissenschaften

  • Aktuelles
  • Über die NGfP
    • Ziele
    • Mitgliedschaft
    • Kooperationen
    • Satzung
  • Vorstand
  • Kongresse
    • NGfP Kongress 2023
    • NGfP Kongress 2020
    • NGfP Kongress 2019
    • NGfP Kongress 2018
    • NGfP Kongress 2017
    • NGfP Kongress 2016
    • NGfP Kongress 2015
    • Symposium 2014
    • Machtwirkung und Glücksversprechen (2013)
    • NGfP Kongress 2012
      • Call for Papers
      • Klaus-Jürgen Bruder: Massenloyalität
      • Tagungsband: Sozialpsychologie des Kapitalismus im Psychosozial-Verlag
    • NGfP Kongress 2011
    • NGfP Kongress 2008
  • Videos
  • Kontakt
  • Arbeitsgruppen
    • Politische Psychologie und Psychopolitik, post-covid
  • Toggle search form

Das Eigene und das Fremde in mir

Posted on 7. Januar 20257. Januar 2025 By NGfP-Admin

Almuth Bru­der-Bez­zel

Zusam­men­fas­sung
Es geht um das Span­nungs­ver­hält­nis des Eige­nen und Frem­den im Indi­vi­du­um durch Sozia­li­sa­ti­on und Pro­pa­gan­da. Weit­rei­chen­de Sozia­li­sa­ti­ons­ein­flüs­se von Beginn des Lebens an, auch die wei­te­ren Nor­mie­rungs­ein­flüs­se bis hin zur pro­pa­gan­dis­ti­schen Mani­pu­la­ti­on, auch von Emo­tio­nen und unbe­wuss­ten Pro­zes­sen, for­men unser psy­chi­sches Leben. Wie viel bleibt da noch für das Eige­ne und Ein­zig­ar­ti­ge? Zugleich ver­sucht das Indi­vi­du­um Eigen­stän­dig­keit zu bewah­ren, mit­hil­fe des­sen, was Adler schöp­fe­ri­sche Kraft nennt. Wie bedeu­tungs­voll ist die­se Kraft und wie weit kann sie Auto­no­mes gestal­ten? Das führt auch zu Über­le­gun­gen, unter wel­chen Bedin­gun­gen und wes­halb das Indi­vi­du­um auf sei­ne Indi­vi­dua­li­tät ver­zich­tet somit sich kon­form und gehor­sam ver­hält. Dies gilt vor allem in Zei­ten der gesell­schaft­li­chen und indi­vi­du­el­len Kri­sen, in denen der Druck auf Anpas­sung stär­ker, der Spiel­raum für Ein­zig­ar­tig­keit gerin­ger wird.

0.
Wir leben heu­te in Deutsch­land und welt­weit seit min­des­tens 4 Jah­ren in einer Zeit der Kri­sen, begon­nen mit der Coro­na­kri­se, wei­ter mit dem Ukrai­ne Krieg und Gaza Krieg, in die auch wir ver­wi­ckelt sind. Die­se Kri­sen und ihre Hand­ha­bung haben schwe­re indi­vi­du­el­le und gesell­schaft­li­che Fol­gen für uns (Aggres­sio­nen, Depres­sio­nen, Ver­ar­mung, exis­ten­ti­el­le  Ver­un­si­che­rung etc.), Dabei kommt es zu Auf­ruhr und Unzu­frie­den­heit, die sich in Demons­tra­tio­nen, Umfra­ge­er­geb­nis­sen, Streiks und der Rechts­ent­wick­lung aus­drü­cken.. Kri­sen­zei­ten sind nicht nur Zei­ten der Ein­schrän­kung der Frei­heit, son­dern Zei­ten der gro­ßen Pro­pa­gan­da, der Mani­pu­la­ti­on, durch die wir mit einem erheb­li­chen media­lem, öffent­li­chen Auf­wand Mei­nun­gen, Hal­tun­gen, Ver­hal­tens­wei­sen, Emo­tio­nen auf­ge­drängt wer­den sol­len. Das also ist die Fra­ge des gesell­schaft­li­chen Frem­den und Eige­nen, die sich auch im Ein­zel­nen nie­der­schlägt.

Die Fra­ge nach Eige­nem und Frem­dem stellt sich aber bereits in ganz nor­ma­len Ent­wick­lungs­li­ni­en im Sozia­li­sa­ti­ons­pro­zess eines jeden Men­schen. Wie sieht das Ver­frem­den und das Eige­ne in der gesam­ten Ent­wick­lung des Indi­vi­du­ums in soge­nann­ten nor­ma­len Zei­ten unter nor­ma­len Umstän­den aus?

I. Das Frem­de und das Eige­ne als Wir­kun­gen der Sozia­li­sa­ti­on.
Es geht mir um das inner­see­li­sche Eige­ne und Frem­de, das Authen­ti­sche in mir und das Frem­de in mir, das nicht ‑Authen­ti­sche, nicht ‑Auto­no­me, das mir ein­ge­pflanzt wird, durch das ich mich anpas­se, unter­ord­ne. Man kann hier an das Implan­tie­ren der Nor­men und Regeln den­ken, an das Über­ich, die Inter­na­li­sie­rung der Ge- und Ver­bo­te der Mäch­ti­gen, das stets als Zen­sor aktiv ist oder auch an Win­ni­cotts wah­res und fal­sches Selbst.

Durch den schritt­wei­sen stän­di­gen Ein­fluss in der Sozia­li­sa­ti­on neh­men wir das Frem­de in uns auf, Nor­men, Hal­tun­gen, Sicht­wei­sen, kul­tu­rel­le Zusam­men­hän­ge, aber auch Fähig­kei­ten und Bedürf­nis­se. Über ver­schie­de­ne erzie­he­ri­sche Mit­tel, über sym­bio­ti­sche Bin­dung und Iden­ti­fi­ka­ti­on, wird in der Fami­lie die Ent­ste­hung von Mei­nun­gen, Welt­bil­dern, Lebens­sti­len, grund­ge­legt, Das wird fort­ge­setzt im Erwerb von Grund­hal­tun­gen und Sekun­där­tu­gen­den im Kin­der­gar­ten, in der Schu­le und in erwei­ter­ten sozia­len Bezie­hun­gen, was dann im Arbeits­pro­zess ver­tieft, viel­leicht auch ver­än­dert wird. Wün­sche und Bedürf­nis­se wer­den durch Kon­sum­an­ge­bo­te sti­mu­liert und pro­du­ziert, alles wird über ver­schie­de­ne Mas­sen­me­di­en, durch kul­tu­rel­le Ange­bo­te, und über Kom­mu­ni­ka­ti­on und Wis­sens­er­werb im Inter­net ver­tieft, in stän­di­ger Wie­der­ho­lung.

Die­se Ein­flüs­se blei­ben als Ein­flüs­se unbe­wusst und drin­gen tief in das Unbe­wuss­te ein. So konn­te Laplan­che sagen: das Unbe­wuss­te des Kin­des ist das Unbe­wuss­te des Erwach­se­nen (1992) Die Bot­schaf­ten wer­den ins Ich oder Selbst ein­ge­la­gert und ver­wo­ben, mit­hil­fe der Instan­zen von Ich und Über-Ich, mit­hil­fe der Abwehr­me­cha­nis­men u.a. Iden­ti­fi­ka­ti­on, Intro­jek­ti­on, Imi­ta­ti­on. Die Ein­flüs­se wer­den ver­in­ner­licht, tra­diert und als sozia­les und kul­tu­rel­les Erbe wei­ter­ge­ge­ben. Das Frem­de wur­de ange­eig­net, zu eigen gemacht, und kann so
als das Eige­ne erlebt wer­den. Wir tun dann so, als folg­ten wir den eige­nen Befeh­len und Über­le­gun­gen.

Otto Gross, (geb. 1877) der psy­cho­ana­ly­tisch inspi­rier­te „Para­dies-Sucher“ und Mon­te Veri­ta- Bewoh­ner um die Jahr­hun­dert­wen­de, sieht im inner­see­li­schen Eige­nen und Frem­den einen Gegen­satz oder gar einen Kon­flikt, eine inne­re Zer­ris­sen­heit. Er kon­sta­tiert einen „art­ge­mä­ßen Urinstinkt„ der auf die Erhal­tung der eige­nen Indi­vi­dua­li­tät und die lie­bend- ethi­sche Bezie­hung zur Indi­vi­dua­li­tät der ande­ren zugleich gerich­tet ist: das Stre­ben sich selbst nicht ver­ge­wal­ti­gen zu las­sen und ande­re nicht zu vergewaltigen.“(Gross 1914, S.82).Das “ Schick­sal“ sol­cher Men­schen „ist der inne­re Kon­flikt des Eige­nen und Frem­den, die inne­re Zer­ris­sen­heit, das Lei­den an sich selbst“.(S.85 ).

Dage­gen aber wer­de bei den meis­ten, den auto­ri­tä­ren, Men­schen, „die Sug­ges­ti­on von frem­dem Wil­len, wel­che man Erzie­hung nennt, [wird] in das eige­ne Wol­len auf­ge­nom­men. Und so bestehen die meis­ten gera­de­zu allein aus frem­dem Wil­len, … aus frem­dem Sein, das ihnen völ­lig als die eige­ne Per­sön­lich­keit erscheint“. Sie sind “ein­heit­lich“ gewor­den, “ Sie haben sich das inne­re Zer­ris­sen­sein erspart“ (1914, S. 85, vgl. auch Bru­der-Bez­zel 2019, S. 169–190).

In die­ser Radi­ka­li­tät ist Gross sicher ein­sei­tig und pes­si­mis­tisch. Er scheint auch dar­in an Freuds Wider­spruch zwi­schen Indi­vi­du­um und – einer trieb­feind­li­chen ‑Gesell­schaft- zu hän­gen, womit das inter­ak­ti­ve sozia­le Wesen des Men­schen eher igno­riert wird.

Es stellt sich gleich­wohl ernst­haft die Fra­ge, was das Eige­ne eigent­lich ist, ob es das gibt? Denn es gibt kein Eige­nes ohne das/oder vor dem Fremde(n), das Eige­ne hat sich aus dem Frem­den her­aus ent­wi­ckelt. Ist es nicht doch auch illu­sio­nis­tisch, von einer rei­nen Indi­vi­dua­li­tät oder mit Win­ni­cott von einem „wah­ren Selbst“ aus­zu­ge­hen? Doch gibt es durch­aus unter­schied­li­che Aus­prä­gun­gen von „Zer­ris­sen­heit“ oder von Ange­passt­heit, Abhän­gig­keit, Unter­ord­nung, Außen­ge­lei­tet­sein (Ries­man) ver­sus Indi­vi­dua­li­sie­rung, Authen­ti­zi­tät und Auto­no­mie. Dabei ist natür­lich die Auf­nah­me des Frem­den, die Auf­nah­me von gesell­schaft­li­chen Regeln etc. lebens­not­wen­dig, erst danach und auf die­sem Boden, kann eine ‑rela­ti­ve ‑Befrei­ung davon fol­gen. So konn­te der Psy­cho­lo­ge Peter Brück­ner schrei­ben: Anpas­sung geht der Auto­no­mie vor­aus (Brück­ner 1966, S. 24). Aus den Bau­stei­nen von Kennt­nis­sen und Erfah­run­gen, aus der Fähig­keit zur Refle­xi­on, dem Mut zum Unge­hor­sam und Zwei­fel, fin­det ein Indi­vi­du­um den eige­nen Lebens­stil, kann sich so ein Stück weit von der auto­ri­tä­ren Abhän­gig­keit befrei­en. (vgl. Fromm 1963, S. 11).

Der Sozia­li­sa­ti­ons­pro­zess, die Inte­gra­ti­on von Ein­flüs­sen, zeigt den gesell­schaft­li­chen Cha­rak­ter der Psy­che, zeigt das sozia­le Wesen des Men­schen. Dabei wirkt das Indi­vi­du­um inter­ak­tiv mit, ant­wor­tet, gestal­tet, auch mit­hil­fe von Abwehr­me­cha­nis­men und Kom­pen­sa­ti­on. Wahr­neh­mun­gen sind daher nicht Wider­spie­ge­lung der Rea­li­tät, son­dern krea­ti­ve Erfin­dun­gen. Dies nennt Adler „schöp­fe­ri­sche Kraft“ Mit dem Schöp­fe­ri­schen kommt etwas ins Spiel, was Züge von Frei­heit, Unbe­stimmt­heit, nicht Vor­her­sag­ba­rem, nicht Deter­mi­nier­tem hat. Das „Eige­ne“ hat sich dar­aus ent­wi­ckelt, als Selbst­fin­dung, Selbst­pro­duk­ti­on. Adler for­mu­liert sogar, dass sich das Ich „selbst­schöp­fe­risch“ bil­det, „unter Gebrauch aller Mög­lich­kei­ten“ und Bezo­gen­hei­ten, von exo­ge­nen Fak­to­ren Milieuein­flüs­sen (Adler 1932h, S. 529, vgl. Wit­te 2010, S. 67). Infra­ge steht immer, wie das Men­gen­ver­hält­nis zwi­schen Frem­dem und Eige­nem ist,
denn das Aus­maß an Fremd­be­stimmt­heit und das Aus­maß an Indi­vi­dua­li­tät der Fähig­kei­ten sind indi­vi­du­ell und kul­tu­rell his­to­risch unter­schied­lich ver­teilt. So vie­le Ein­wir­kun­gen durch die Sozia­li­sa­ti­on durch gesell­schaft­li­che Zustän­de las­sen den schöp­fe­ri­schen Anteil schmal wer­den, und dies beson­ders in Zei­ten der gesell­schaft­li­chen und indi­vi­du­el­len Kri­sen. Wie auto­nom, wie krea­tiv kann ein Indi­vi­du­um noch sein unter star­ken äuße­ren Ein­wir­kun­gen?

Das rei­ne, das „wah­re“ Selbst ist eine Fik­ti­on. Ernüch­ternd müs­sen wir ein­schrän­ken mit Jean Paul Sar­tres Dik­tum: „Ich habe mich zu dem gemacht, wozu ich gemacht wur­de“, und zwar gemacht durch den Blick des Ande­ren, wie Sart­re dies aus­führ­lich beschreibt (Sein und Nichts 1943).

Die­ses Gemacht- wer­den und sich ent­spre­chend selbst Machen, spielt im Kon­struk­ti­vis­mus und im kon­struk­ti­vis­ti­schen Femi­nis­mus, wie z.B .bei Simo­ne de Beau­voir, bei Judith But­ler eine gro­ße Rol­le. Bei Simo­ne de Beau­voir heißt es: man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird dazu gemacht (1949), bei But­ler geht es um Gen­der, die sozia­le Geschlechts­rol­le, die von Geburt an fest­ge­legt wird und dann „frei­wil­lig“ per­ma­nent ein­ge­übt, insze­niert wird, im doing gen­der, und zwar dis­kur­siv und per­for­ma­tiv, wodurch die Geschlechts­rol­le zur sozia­len Rea­li­tät wird (But­ler 1991) (vgl. Bru­der-Bez­zel 2020).

Hier ist Eigen­tä­tig­keit, das Schöp­fe­ri­sche mit ent­hal­ten, aber doch ist es auch die Par­odie oder Fik­ti­on von Eigen­mäch­tig­keit oder Selbst­er­mäch­ti­gung, die heu­te, im Neo­li­be­ra­lis­mus, als Echt­heit, Authen­ti­zi­tät, als wah­res Ich und Selbst gera­de­zu beschwo­ren wird, ohne sie als Fik­ti­on zu ent­lar­ven.

Wir sind also gemacht durch die Zuschrei­bun­gen, die Betrach­tung (Blick) der Ande­ren, in den sozia­len Agen­tu­ren, und wir haben uns auch selbst gemacht durch die schöp­fe­ri­sche Kraft. Wir sind, wie Adler das for­mu­liert, Pro­dukt und Pro­du­zent, Kunst­werk und Künst­ler zugleich, im Span­nungs­feld zwi­schen Krea­ti­vi­tät und Deter­mi­na­ti­on (vgl. Bru­der-Bez­zel 2004).

II. Das Frem­de und Eige­ne im gesell­schaft­li­chen Raum
Jen­seits der frü­hen Sozia­li­sa­ti­on und Erzie­hungs­pro­zes­se wird im gesell­schaft­li­chen Raum das Eige­ne und das Frem­de, durch Wer­bung, Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on und Pro­pa­gan­da geprägt. Hier gel­ten zwar die glei­chen Mecha­nis­men und Tech­ni­ken, aber sie sind nicht so sub­til, sie sind offen­sicht­lich, bewusst inten­diert, auf­fäl­li­ger und nicht an ein­zel­ne Indi­vi­du­en,. son­dern an Mas­sen gerich­tet.

In der Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on und Propaganda1 wird eine öffent­li­che Mei­nung her­ge­stellt, die Bevöl­ke­rung soll über­zeugt wer­den durch die Dis­kur­se, durch Über­re­dung und Gleich­schal­tung.

Unver­blümt heißt es bereits bei Wal­ter Lipp­mann, dem Pio­nier der moder­nen Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on: Die Eli­te benutzt ihre Macht, „um die Öffent­lich­keit… die Din­ge so sehen zu las­sen, wie sie es wünsch­ten“ (Lipp­mann 1922, S. 84). Oder ähn­lich schreibt der Pro­pa­gan­da­for­scher Jac­ques Ellul: „Da die Regie­rung der [öffent­li­chen] Mei­nung nicht fol­gen kann, muss die Mei­nung der Regie­rung folgen…Die … Mas­se muss über­zeugt wer­den.“ (Ellul 1962, S. 169). Es soll also die Sicht­wei­se in Rich­tung der Zustim­mung zur herr­schen­den Eli­te ver­än­dert oder her­ge­stellt wer­den, es sol­len Bedürf­nis­se und Wün­sche nach bestimm­ten Ange­bo­ten des Kon­sums gelenkt oder erweckt wer­den.

Für die­se mani­pu­la­ti­ve Ein­fluss­nah­me gilt, dass ihr Cha­rak­ter als Pro­pa­gan­da unbe­wusst oder unge­wusst wir­ken muss. Pro­pa­gan­da „ist ein im Gehei­men, im Ver­bor­ge­nen, im Hin­ter­grund statt­fin­den­der Vor­gang“ so der Ellul (1962, S.8). Man darf nicht wis­sen, dass es Pro­pa­gan­da ist, sonst kämen wir uns betro­gen vor und als Objekt von Mani­pu­la­tio­nen, das wider­spricht unse­rem Selbst­be­wusst­sein, so Ellul (ebd. S. 8). Und zudem müs­sen mani­pu­la­ti­ve Bot­schaf­ten auch unbe­wuss­te Bedürf­nis­se, Wün­sche und Moti­ve bedie­nen, und dies mit dem pro­pa­gier­ten Gegen­stand ver­knüp­fen – das ist uns vor allem prä­sent in der Wer­bung für Pro­duk­te, in der mit dem Pro­dukt Emo­tio­na­les ver­bun­den wird (z.B. Lie­be beim Auto­kauf). Und auch hier gilt dass die­se Pro­pa­gan­da im ein­zel­nen nur wir­ken kann wenn sie auf pas­sen­de Bedürf­nis­se, Wahr­neh­mungs­mus­ter Emo­tio­nen und eine bestimm­te Ange­passt­heit trifft.

In Zei­ten von gesell­schaft­li­chen Kri­sen wie auch in Zei­ten von Krie­gen spielt Pro­pa­gan­da eine her­aus­ra­gen­de Rol­le, wird sie ver­stärk­ter ein­ge­setzt, als in ruhi­gen, guten Zei­ten. Und da in Kri­sen­zei­ten auch jeder ein­zel­ne sich stär­ker bedroht fühlt, des­ori­en­tiert und hilf­los, wir­ken die­se Beein­flus­sun­gen in die­sen Zei­ten auch stär­ker, wir sind (aus Not, Angst) anfäl­li­ger für den Ein­fluss des Frem­den, kön­nen uns weni­ger gut ver­tei­di­gen. Die Wer­te der Frei­heit wer­den in die­sen Zei­ten leicht über Bord gewor­fen, die Frei­räu­me sind meist enger, das Ein­wir­ken von außen bedrän­gen­der und emo­tio­na­li­sier­ter. Dies haben wir auch in den letz­ten 4 Jah­ren in der Coro­na­zeit und bis heu­te als Beglei­tung der Krie­ge Ukrai­ne, Gaza, erlebt.

Für die­se Pro­pa­gan­da im öffent­li­chen Raum wird eine unüber­schau­ba­re Fül­le von Tech­ni­ken der Beein­flus­sung ein­ge­setzt, her­aus­ra­gend sind: Wie­der­ho­lun­gen, Mono­po­li­sie­rung und Emo­tio­na­li­sie­rung. Not­falls oder zusätz­lich aber gibt es immer auch hand­fes­te Vor­schrif­ten, Ver­bo­te und Gebo­te und Repres­sio­nen.

Wie­der­ho­lung heißt, es wird mit allen Medi­en öffent­li­cher Nach­rich­ten, Gesprächs­run­den, Reden, Kom­men­ta­ren immer wie­der die glei­che Posi­ti­on ver­tre­ten, die glei­chen The­men wie­der­holt. Mono­po­li­sie­rung heißt, es wird nur eine Infor­ma­ti­on oder Mei­nung ange­bo­ten, ver­bun­den mit einer vor­ge­fer­tig­ten Sprach­re­ge­lung, ande­re Mei­nun­gen und Ergeb­nis­se wer­den ver­schwie­gen, aus­ge­schal­tet, dis­kri­mi­niert oder gar ver­bo­ten. bis hin zu sank­tio­niert. Zum Ein­satz von Emo­tio­nen gehört das Schü­ren von Angst vor einem Feind oder vor etwas, die Auf­stel­lung von Freund und Feind, durch Äch­tung und Ver­fol­gung von Kri­ti­kern, bei gleich­zei­ti­gem Ein­schwö­ren auf Gemein­schaft und Soli­da­ri­tät der Mehr­heit, was die Pola­ri­sie­rung, die Spal­tung der Gesell­schaft bedeu­tet.

Unter sol­chen mas­si­ven Ein­wir­kun­gen ist es kaum mehr mög­lich Eige­nes zu bewah­ren, Indi­vi­dua­li­tät zu leben, schöp­fe­ri­sche Kraft zu ent­fal­ten. Es bleibt die Alter­na­ti­ve: Flucht ins Auto­ri­tä­re (Fromm) oder Gegen­wehr mit­hil­fe alter­na­ti­ver Infor­ma­tio­nen und Bünd­nis­sen.

III. Psy­cho­lo­gi­sche Begrün­dun­gen zum Ver­zicht auf das Eige­ne.
Um zu ver­ste­hen, war­um wir auf sol­che Ein­flüs­se ein­ge­hen und damit rela­tiv bereit­wil­lig und gehor­sam auf unse­re Indi­vi­dua­li­tät ver­zich­ten, gibt es ver­schie­de­ne inner­psy­chi­sche Begrün­dun­gen und Bedin­gun­gen, die alle­samt den Men­schen als ein sozia­les Wesen sehen. Dabei ist der Ver­zicht auf den eige­nen Wil­len unbe­wusst gehal­ten, der Gehor­sam wird dann (meist) nicht als Demü­ti­gung erlebt. Auch hier ist zu beach­ten, dass das Indi­vi­du­um in Zei­ten indi­vi­du­el­ler oder kol­lek­ti­ver Kri­sen anfäl­li­ger, geschwächt ist. Auch wir­ken sich hier die Unter­schie­de in den Per­sön­lich­keits­struk­tu­ren und Lebens­sti­len deut­lich aus. Ich will vier Begrün­dun­gen für Kon­for­mi­tät und Gehor­sam her­vor­he­ben.

1. Begrün­dung: Angst vor einem Feind, vor Krank­hei­ten, Tod, vor Kata­stro­phen, Nicht sel­ten wird in sol­chen Fäl­len das Schü­ren von Angst mit der Ges­te der Für­sor­ge ver­bun­den – wie beim Coro­na Virus gesche­hen – oder bei Zuwi­der­han­deln auch mit der Andro­hung von Bestra­fung. Angst vor Bestra­fung Unter­drü­ckung ist natür­lich auch unab­hän­gig von die­ser Situa­ti­on ein wich­ti­ges Motiv. In die­sen Fäl­len wird das Gehor­chen am ehes­ten als Demü­ti­gung emp­fun­den.. Angst ver­engt das Den­ken, senkt das Selbst­wert­ge­fühl, macht hilf­los. „Angst essen See­le auf“ heißt ein Film von Rai­ner Fass­bin­der.

2. Begrün­dung: Bedürf­nis nach Gemein­schaft. „Trieb zum Anschluss“ (Gross)
Das Bedürf­nis nach Zuge­hö­rig­keit, nach Kon­sens mit der Mehr­heit, nach Gemein­schaft und Gebor­gen­heit und umge­kehrt die Angst, her­aus­zu­fal­len, aus­ge­grenzt zu sein, hal­te ich für das zen­tra­le Motiv für Gehor­sam und Kon­for­mi­tät, für den Ver­zicht auf die Durch­set­zung eines eige­nen Wil­lens, eige­ner Mei­nung. Dies wird auch von sehr vie­len Autoren so gese­hen. Zudem
bele­gen auch eine gan­ze Rei­he von sozi­al­psy­cho­lo­gi­schen Expe­ri­men­ten die­sen Zusam­men­hang, so u.a. das Mil­gram Expe­ri­ment, Expe­ri­ment von Asch.

Für Otto Gross – auch für Adler – ist das die Begrün­dung dafür dass das Kind sich anpasst näm­lich das sozia­le Wesen des Men­schen, das Bedürf­nis nach Gemein­schaft nach Lie­be nach sozia­ler Aner­ken­nung. „Kein Mensch ver­mag bereits als Kind auf Lie­be zu ver­zich­ten“, „die Angst vor Ein­sam­keit, der Trieb zum Anschluss zwingt das Kind sich anzu­pas­sen (Gross 1914, S. 84f). Die „Erlö­sung von der Ein­sam­keit… Wird an die Bedin­gung des Gehor­sams, der Anpas­sung, des Ver­zichts auf eige­nen Wil­len und eige­ne Art gebun­den… Die Unfä­hig­keit des Kin­des­al­ters zum Wider­stand gegen Sug­ges­tio­nen… wirkt als Prä­dis­po­si­ti­on zum patho­ge­nen inne­ren Kon­flikt, der aus der Unver­ein­bar­keit des wesens­frem­den mit dem eige­nen her­vor wächst. „ (Gross 1920, S. 150, zit. nach Bru­der-Bez­zel 2019, S.183).

Die Par­al­le­le zu Adler ist deut­lich – mit dem sich Gross in die­sen Auf­sät­zen (1914, 1920) ohne­hin posi­tiv aus­ein­an­der­setzt- in sei­nen Pos­tu­la­ten des „Zärt­lich­keits­be­dürf­nis­ses“ (1908) und des Gemein­schafts­ge­fühls, das im Zärt­lich­keits­be­dürf­nis grün­det. Im Bedürf­nis nach Zärt­lich­keit sieht Adler den „Hebel der Erzie­hung“ und der For­mung des Kin­des, da deren  Befrie­di­gung nur zu bekom­men ist, „wenn sich das Kind dem Erzie­her unter­wirft“ (Adler 1908, S. 79), wie Adler das, weni­ger kri­tisch als Gross, sieht. Doch in sei­nem Auf­satz „Arzt als Erzie­her“ (1904) – hier kommt auch Lie­be als Erzie­hungs­mit­tel vor (1904, S. 29f) hebt Adler vor allem die Erzie­hung zur Selbst­stän­dig­keit, zum Mut, zur Eigen­wil­lig­keit her­vor. „Gehor­sam­keit beim Kin­de darf nicht erzwun­gen wer­de“ Beim spä­te­ren Adler ist dann das Gemein­schafts­ge­fühl an zen­tra­le, domi­nan­te Stel­le sei­ner Psy­cho­lo­gie gerückt, das Gemein­schafts­ge­fühl, das eigent­lich die Huma­ni­tät des Men­schen aus­macht, die in der Ver­bun­den­heit mit den Men­schen im enge­ren Umfeld und im gesam­ten Kos­mos sich aus­drü­cken soll und das das obers­te Ziel von Erzie­hung und The­ra­pie für ein gelun­ge­nes, fried­li­ches Zusam­men­le­ben dar­stellt.

Die Tat­sa­che, dass die­ses Gemein­schafts­ge­fühl aus­ge­nutzt und miss­braucht wird, in enge­ren Bezie­hun­gen, in der Fami­lie, in einer Nati­on, in Kri­sen und Kriegs­zei­ten beson­ders, dann als Volks­ge­mein­schaft dekla­riert wird und dies meist ver­bun­den wird mit der Aus­gren­zung angeb­li­cher Fein­de – das war Adler min­des­tens in der Kriegs­zeit voll bewusst. Wei­te Tei­le der Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gen schüt­ten an die­ser Stel­le das Kind mit dem Bade aus: Im neo­li­be­ra­len, indi­vi­dua­li­sie­ren­dem Denk­stil wird Gemein­schafts­ge­fühl pau­schal zurück­ge­wie­sen und mit der NS- Volks­ge­mein­schaft ver­bun­den, iden­ti­fi­ziert. – Auch bei Erich Fromm hat das Bedürf­nis nach Zusam­men­halt einen zen­tra­len Stel­len­wert. Dem Kind wer­de ein „heil­lo­ser Respekt vor der Kon­for­mi­tät ein­ge­impft, die Angst, „anders“ zu sein und die Furcht, sich von der Her­de zu ent­fer­nen.“ (Fromm 1963,S. 17)

Ganz ähn­lich schreibt Alex­an­der Mit­scher­lich (1963) zur Psy­cho­lo­gie des Mit­läu­fers: „Der dro­hen­de Ver­lust des Grup­pen­kon­tak­tes ist ein erschre­cken­des Erleb­nis und löst pani­sche Angst und jede erdenk­li­che Anstren­gung aus, die Über­ein­stim­mung wie­der­zu­fin­den…. Die frei­wil­li­ge Iso­lie­rung von der Grup­pe… gehört offen­bar zu den aller­schwers­ten Kon­troll­leis­tun­gen des Ichs.“ (Mit­scher­lich 1963, S. 158f)

Die 3. Begrün­dung sich anzu­pas­sen, ist das Erle­ben von Unsi­cher­heit, tie­fem Min­der­wer­tig­keits­ge­fühl, das zur Über­win­dung, zur Kom­pen­sa­ti­on drängt. Dabei muss zugleich ein­ge­räumt wer­den, dass Kom­pen­sa­ti­on dop­pel­sei­tig ist, genau­so häu­fig zum Wider­spruch wie zu Unter­wer­fung führt. Das Kom­pen­sa­ti­ons­kon­zept (oder auch „Siche­rungs­ten­denz) zur Über­win­dung des Min­der­wer­tig­keits­ge­fühls, ist die Grund­li­nie der per­sön­li­chen Ent­wick­lung und der Aus­bil­dung der Per­sön­lich­keits­struk­tur bei Adler (und ruft damit eben­so wie bei Gross eine „inne­re Zer­ris­sen­heit“ her­vor). Es wer­den dabei gesell­schaft­lich bereit­ste­hen­de Ange­bo­te der Kom­pen­sa­ti­on auf­ge­grif­fen,– so das Stre­ben nach Gel­tung, Aner­ken­nung, Macht, Männ­lich­keit („„Männ­li­cher Pro­test”) oder, wie Otto Gross, Adler zustim­mend, das aus­drückt, der „Zwang zur Umwand­lung des Wil­lens zur Erhal­tung der Indi­vi­dua­li­tät in den Wil­len zur Macht.“ (1914, S.85). In wel­cher Aus­prä­gung kom­pen­siert wird, hängt natür­lich von der Fra­ge­stel­lung, von der Situa­ti­on, von den gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen und von den indi­vi­du­el­len Vor­er­fah­run­gen ab. Auch hier gilt, dass die Unter­ord­nung als auto­no­me Hand­lung, als Frei­heit, erlebt wird bis hin zum freu­di­gen Gehor­chen. Neben den sehr vie­len Fall­bei­spie­len für Kom­pen­sa­ti­on, die Adler ana­ly­siert, fin­de ich eines beson­ders beein­dru­ckend und vor allem aktu­ell, näm­lich die Über­nah­me frem­der Paro­len als das Eige­ne in der Kriegs­be­geis­te­rung, wie sie Adler 1919 in ein­drück­li­cher Wei­se in „Die ande­re Sei­te“ geschil­dert hat­te: – was ich etwas län­ger zitie­ren will:

Er schil­dert wie in kom­pen­sa­to­ri­scher Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Auto­ri­tät der Schein von Grö­ße und Auto­no­mie auf­recht­erhal­ten und mit der Hoff­nung auf Teil­ha­be an der Macht ver­bun­den wird. Die Paro­len „des Gene­ral­stabs“ wur­den schließ­lich so über­nom­men, als sei­en sie die eige­nen und sei­en Zei­chen des Hel­den­tums und des Gemein­schafts­ge­fühls (Lie­be zur Nati­on). Nach jahr­zehn­te­lan­ger „Dres­sur eines wei­chen Vol­kes“, die es „zur Selbst­un­si­cher­heit und zum Gehor­sam gegen die Obe­ren erzog“ (Adler 1919, S. 121), wur­de das Volk im Krieg nun mit… „Lügen­nach­rich­ten“ (S. 121) über­zo­gen, es wur­de Angst gemacht vor dem Feind, es wur­de gehetzt gegen Spio­ne, (S. 121f). Dem „ver­letz­ten, gekne­bel­ten Volk“ (S. 127) blieb nur „die gehei­me pas­si­ve Resistenz“(126). „Die­ses Volk wur­de mit allen Mit­teln der List und Gewalt in Unmün­dig­keit gehal­ten“. Dage­gen haben die Kriegs­frei­wil­li­gen ihre Unter­le­gen­heit kom­pen­siert und wur­den „Opfer einer fal­schen Scham.“ „Sie mach­ten aus der Not eine Tugend“, und grif­fen „nach dem Ruf, der von dem Gene­ral­stab ausging…Und mit einem Male war ihnen, als ob sie selbst den Ruf aus­ge­sto­ßen hät­ten… Nun waren es nicht mehr gepeitsch­te Hun­de… nein, Hel­den waren sie, Ver­tei­di­ger des Vater­lan­des und ihrer Ehre… Im Rau­sche des wie­der­ge­fun­de­nen Selbst­ge­fühls, … in die­ser see­li­schen Befrei­ung vom Gefühl tiefs­ter mensch­li­cher Ernied­ri­gung und Ent­wür­di­gung… wichen sie scheu der Erkennt­nis aus, nur arm­se­li­ge Opfer frem­der Macht­ge­lüs­te zu sein“ (S. 128f).

Auch Adlers Schü­ler Manes Sper­ber beschäf­tigt sich an ver­schie­de­nen Stel­len damit, wie Min­der­wer­tig­keits­ge­füh­le die auto­ri­tä­re Posi­ti­on, die Unter­wer­fung beför­dert,- so aus­führ­lich in Sper­bers Ana­ly­se des Nazi-Regimes (Ana­ly­se der Tyran­nis, 1937, vgl .Bru­der-Bez­zel 2006; und 2019, S.213–239). Da die Unter­le­gen­heits­po­si­tio­nen als uner­träg­lich erlebt wer­den, müs­sen sie kom­pen­sa­to­risch, mit dem Wil­len zur Macht über­wun­den wer­den. Und so brin­gen auto­ri­tä­re Bezie­hun­gen „Skla­ven mit Usurpator‑, mit Herr­schafts­ge­lüs­ten“ her­vor (1934, S. 133) . Daher die Fas­zi­na­ti­on der Macht und der Glau­be an das Ver­spre­chen, teil­zu­ha­ben an der Macht des Herr­schers. Es ist „der Macht­rausch des Ent­mu­tig­ten“ (1937, S. 58), der den Mythos Feind schafft, durch den der Hass gegen unten, gegen ande­re, gegen Frem­de, geschürt und legi­ti­miert wird.

4. Begrün­dung: Furcht vor der Frei­heit
Das Ein­wir­ken eines Frem­den als Vor­ga­be, wie etwas zu den­ken oder zu behan­deln sei, eine Anord­nung für Ver­hal­ten, ein Befehl, wirkt zwar ein­schüch­ternd, ein­engend, aber es gibt auch Halt, Ori­en­tie­rung, es erspart die selb­stän­di­ge Suche, es erspart das eige­ne Den­ken. Das hat­te bereits Alex­an­der Mit­scher­lich die „Öko­no­mie des Gehor­chens“ (1963) genannt. „Die Vor­weg­nah­me der Bedro­hung… führt zum Gewohn­heits­ge­hor­sam“ zum „Gehor­sam als Hal­tung“… „Die Gewohn­heit des Gehor­sams dient der Öko­no­mie, sich Unlust zu erspa­ren“ (Mit­scher­lich 1963, 212). Ganz ähn­lich schätzt auch Erich Fromm es ein: „Solan­ge man der Macht… gehorcht, fühlt man sich sicher und behütet…Mein Gehor­sam gibt mir Anteil an der Macht, die ich ver­eh­re, daher füh­le ich mich stark.“. Dage­gen bedarf es Mut, „zu einer Macht nein zu sagen und unge­hor­sam zu sein.“ (Fromm 1963, S. 14). . Der „Furcht vor der Frei­heit“ hat­te er ein gan­zes Buch gewid­met (1947/1980): Die Furcht vor der Frei­heit, sich als Indi­vi­du­um zu sehen mit indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen und Fähig­kei­ten, Angst vor dem Aus­le­ben von Indi­vi­dua­li­tät und Non-Kon­for­mi­tät, ist die Angst vor Unsi­cher­heit und Hilf­lo­sig­keit. Die Furcht vor der Frei­heit för­dert, den Auto­ri­ta­ris­mus, die Kon­for­mi­tät, und dazu wer­den zur Selbst­le­gi­ti­mie­rung die ver­schie­dens­ten Abwehr­me­cha­nis­men ein­ge­setzt (Fromm 1947, S. 29ff).

IV Beru­hi­gen­der Schluss
Wir wis­sen, dass Pro­pa­gan­da wirkt, aber auch, dass sie nicht immer und nicht bei allen wirkt. Sie kann aber nur wir­ken, wenn sie auf pas­sen­de Bedürf­nis­se und Emo­tio­nen, auf bestimm­te Wahr­neh­mungs­mus­ter und Bereit­schaf­ten zur Ange­passt­heit ein­wirkt. Theo­re­tisch und empi­risch hat­te dies bereits der adle­ria­nisch gepräg­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­scher Paul Lazarsfeld2 in den vier­zi­ger Jah­ren ver­tre­ten – und kam hier­über mit vie­len For­schern in Ame­ri­ka in Kon­flikt, u,a. mit Ador­no. Men­schen sind für ihn nicht rei­ne Spiel­bäl­le der Medi­en, die erleb­te sozia­le Rea­li­tät kön­ne nicht ein­fach durch Pro­pa­gan­da über­spielt wer­den, wenn es im kras­sen Wider­spruch steht oder gegen die eige­nen Inter­es­sen gerich­tet ist – sofern dies aller­dings durch­schaut wird. Und Lazars­feld hebt auch die ver­mit­teln­de Rol­le von Mei­nungs­füh­rern her­vor, die Bedeu­tung der sozia­len Bezie­hun­gen, der Freun­de und Fami­lie, die als

Ver­stär­ker der Ein­fluss­nah­me oder als Schutz gegen sie wir­ken kön­nen, so dass man doch den eige­nen Weg, das Eige­ne noch bewah­ren kann, statt sich zu unter­wer­fen, (vgl. Bru­der-Bez­zel 2021 S.27f).

Daher könn­te die opti­mis­ti­sche Paro­le wahr wer­den:
Es ist Krieg und kei­ner geht hin

Lite­ra­tur
Adler, Alfred (1904). Der Arzt als Erzie­her. In:. Stu­di­en­aus­ga­be I., S. 25–34

Adler, Alfred (1908) Das Zärt­lich­keits­be­dürf­nis des Kin­des. In: Stu­di­en­aus­ga­be I, Sei­te 77–81

Adler, Alfred (1919). Die ande­re Sei­te. Eine mas­sen­psy­cho­lo­gi­sche Stu­die über die Schuld des Vol­kes. In Stu­di­en­aus­ga­be Bd. 7, S. 120–130

Adler, Alfred (1932). Die Sys­te­ma­tik der Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gie. In: Stu­di­en­aus­ga­be Bd. 3,2010, S. 527–531

Adler, Alfred (2007). Per­sön­lich­keit und neu­ro­ti­sche Ent­wick­lung frü­he Schrif­ten (1904–1912) Stu­di­en­aus­ga­be Bd. 1, Hg. Almuth Bru­der-Bez­zel Vandenhoeck& Ruprecht, Göt­tin­gen

Adler, Alfred (2009). Gesell­schaft und Kul­tur (1897–1937). Stu­di­en­aus­ga­be Bd. 7, Hg. Almuth Bru­der-Bez­zel. Vandenhoeck& Ruprecht, Göt­tin­gen

Adler, Alfred (2010). Per­sön­lich­keits­theo­rie, Psy­cho­pa­tho­lo­gie, Psy­cho­the­ra­pie (1913–1937) Stu­di­en­aus­ga­be Bd. 3, Hg. Gise­la Eife, Van­den­hoeck & Ruprecht, Göt­tin­gen

Beau­voir, de Simo­ne (1949/1968. Das ande­re Geschlecht. Rein­bek: Rowohlt

Bru­der-Bez­zel, Almuth/Bruder, Klaus-Jür­gen (2004). Krea­ti­vi­tät und Deter­mi­na­ti­on. Göt­tin­gen: Vandenhoeck& Rup­p­recht

.Bru­der-Bez­zel, Almuth (2006). Buch­be­spre­chung: Manes Sper­ber zur Ana­ly­se der Tyran­nis. Zeit­schrift für Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gie, Heft 4, Sei­te 371–376

Bru­der-Bez­zel, Almuth (2019). Alfred Adlers Wie­ner Krei­se in Poli­tik, Lite­ra­tur und Psy­cho­ana­ly­se. Bei­trä­ge zur Geschich­te der Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gie. Vandenhoeck& Ruprecht,
Göt­tin­gen

Bru­der-Bez­zel, Almuth (2020). Von der Frau­en­be­we­gung zum Post­fe­mi­nis­mus. Zeit­schrift für Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gie, Heft 1, S. 47–63

Bru­der-Bez­zel, Almuth (2021). Ein­lei­tung. Pro­pa­gan­da und Macht. In: Bru­der-Bez­zel, Almuth/Bruder, Klaus-Jür­gen (Hg.) (2021). Macht. Wie die Mei­nung der Herr­schen­den zur herr­schen­den Mei­nung wird. Frank­furt: West­end, S. 14–42

Brück­ner, Peter (1966/1983). Patho­lo­gie des Gehor­sams. In: ders. Zer­stö­rung des Gehor­sams. Auf­sät­ze zur poli­ti­schen Psy­cho­lo­gie. Wagen­bach Ber­lin

But­ler Judith (1991). Das Unbe­ha­gen der Geschlech­ter. Frank­furt: Suhr­kamp Ellul, Jac­ques. (1962/2021). Pro­pa­gan­da. Wie die öffent­li­che Mei­nung ent­steht und geformt wird. West­end, Frank­furt.

Fromm, Erich (1963/1985). Der Unge­hor­sam als ein psy­cho­lo­gi­sches und ethi­sches Pro­blem. In: ders. Über den Unge­hor­sam DTV 1985, S‑9–17

Fromm, Erich (1965/1985). Die Anwen­dun­gen der huma­nis­ti­schen Psy­cho­ana­ly­se auf die mar­xis­ti­sche Theo­rie. In: ders. Über den Unge­hor­sam DTV 1985, S19-37

Fromm, Erich (1947/1980). Die Furcht vor der Frei­heit. Europ. Ver­lags­an­stalt, Frank­furt

Gross, Otto (1914/2000). Über Destruk­ti­ons­sym­bo­lik. In: ders. von geschlecht­li­cher Not zur sozia­len Kata­stro­phe. Ham­burg, Nau­ti­lus, S- 77–90

Gross, Otto (1920). Über Kon­flikt und Bezie­hung, In: ders. von geschlecht­li­cher Not zur sozia­len Kata­stro­phe. Ham­burg, Nau­ti­lus, S. 125–146

Lipp­mann, Wal­ter (1922/2018). Die öffent­li­che Mei­nung. Wie sie ent­steht und mani­pu­liert wird Frank­furt West­end

Maus­feld, Rai­ner (2018). War­um schwei­gen die Läm­mer. West­end Frank­furt

Mit­scher­lich, Alex­an­der (1963/1971). Auf dem Weg zur vater­lo­sen Gesell­schaft. Ideen zur Sozi­al­psy­cho­lo­gie. Pie­per, Mün­chen

Sper­ber, Man­nes (1934/1978). Indi­vi­du­um und Gemein­schaft Ver­such einer sozia­len Cha­rak­ter Chro­no­lo­gie. Stutt­gart Klett Cot­ta

Sper­ber, Manes (1937/2006) zur Ana­ly­se der Tyran­nis. Graz: Ley­kam

Wit­te, Karl-Heinz (2010). Zwi­schen Psy­cho­ana­ly­se und Mys­tik. Psy­cho­lo­gisch ‑phä­no­me­ne logi­sche Ana­ly­sen. Alber Ver­lag, Frei­burg

1 Wegen des schlech­ten Images nennt man Pro­pa­gan­da­tä­tig­keit heu­te gern public rela­ti­ons (bereits seit Ber­nays) oder im Mili­tär­be­reich, „stra­te­gi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on“ oder cogni­ti­ve
war­fa­re)
2 Lazars­feld war der Sohn der Wie­ner Adle­ria­ne­rin Sophie Lazars­feld

Aktuelles, Artikel, Interviews

Beitrags-Navigation

Previous Post: Einschränkung der Grundrechte
Next Post: Zur Kritik der Politischen Psychologie

Corona – Inszenierung einer Krise

  • Der Kongressband
  • Corona – Inszenierung einer Krise
  • Bestellen:
  • Sodenkamp & Lenz

Macht

  • Bestellen:
  • westendverlag

Digitalisierung

  • Bestellen:
  • westendverlag

Krieg nach innen, Krieg nach außen

  • Bestellen:
  • westendverlag

Paralyse der Kritik

  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Gesellschaftliche Spaltungen

  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Migration und Rassismus

  • Migration und Rassismus
  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Neoliberale Identitäten

  • Neoliberale Identitäten
  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Krieg um die Köpfe

  • Der Kongressband
  • Krieg um die Köpfe
  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Machtwirkung und Glücksversprechen

  • Der Kongressband
  • Machtwirkung und Glücksversprechen
  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Sozialpsychologie des Kapitalismus – heute

  • Der Kongressband
  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Macht – Kontrolle – Evidenz

  • Der Kongressband
  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Widersprechen!

  • Der Kongressband
  • Bestellen:
  • Psychosozial-Verlag

Links

  • Journal für Psychoanalyse
  • Open Access

Kategorien

  • Aktuelles (292)
  • Arbeitsgruppen (1)
  • Artikel (4)
  • Bücher (2)
  • Interviews (4)
  • Jour fixe (2)
  • Journal für Psychologie (14)
  • Kongresse (21)
  • News @en (13)
  • NGfP-Stellungnahmen (3)
  • Veranstaltungen Termine (62)
  • Veröffentlichungen (8)
  • Videos (18)

Links

  • Journal für Psychoanalyse
  • Open Access

Suche

Archiv

  • März 2025
  • Februar 2025
  • Januar 2025
  • September 2024
  • Juli 2024
  • Mai 2024
  • August 2023
  • Juli 2023
  • März 2023
  • Februar 2023
  • November 2022
  • September 2022
  • März 2022
  • Februar 2022
  • Dezember 2021
  • Oktober 2021
  • September 2021
  • August 2021
  • Juli 2021
  • Juni 2021
  • März 2021
  • Februar 2021
  • Januar 2021
  • September 2020
  • Mai 2020
  • April 2020
  • März 2020
  • Februar 2020
  • Januar 2020
  • November 2019
  • Oktober 2019
  • September 2019
  • Juli 2019
  • Juni 2019
  • April 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • November 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • April 2018
  • März 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • September 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • Dezember 2016
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • September 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • September 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • Februar 2015
  • Dezember 2014
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juli 2014
  • Mai 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Januar 2014
  • November 2013
  • Oktober 2013
  • September 2013
  • August 2013
  • Juli 2013
  • Juni 2013
  • April 2013
  • März 2013
  • Februar 2013
  • Dezember 2012
  • November 2012
  • Oktober 2012
  • September 2012
  • August 2012
  • Juli 2012
  • Juni 2012
  • Mai 2012
  • März 2012
  • Februar 2012
  • Januar 2012
  • Dezember 2011
  • November 2011
  • Oktober 2011
  • September 2011
  • August 2011
  • Juni 2011
  • Mai 2011
  • März 2011
  • Februar 2011
  • Januar 2011
  • Dezember 2010
  • November 2010
  • Oktober 2010
  • September 2010
  • August 2010
  • Juli 2010
  • Juni 2010
  • Mai 2010
  • März 2010
  • Februar 2010
  • Januar 2010
  • Dezember 2009
  • November 2009
  • Oktober 2009
  • September 2009
  • August 2009
  • Juli 2009
  • Juni 2009
  • Mai 2009
  • April 2009
  • März 2009
  • Februar 2009

Copyright © 2023 Neue Gesellschaft für Psychologie

Powered by PressBook Masonry Blogs